„Die Vier-Tage-Woche funktioniert nicht!“

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Mit einer 32 Stunden Woche die Bezahlung einer Vollzeitstelle zu erhalten, klingt für viele Arbeitnehmende spannend. Die Vier-Tage-Woche ist ein aktuell stark diskutiertes Arbeitszeitmodell, das für einige Experten und Expertinnen längst überfällig ist, für viele andere noch schwer vorstellbar. Bereits mehrere Unternehmen haben das Experiment ausprobiert und wiesen überraschende Ergebnisse auf. Auch wir bei jungwild haben über die Vier-Tage-Woche gesprochen.

Durch die Wirtschaftslage lag die wöchentliche Arbeitszeit nach dem Zweiten Weltkrieg bei 49 Stunden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte deshalb 1956 unter dem Motto “Samstags gehört Vati mir” die 40-Stunden-Woche. Seit dem ist es für uns normal 5 Tage die Woche, meist von 9-17 Uhr, zu arbeiten.

Doch spätestens seit Sanna Marin, die mittlerweile finnische Ministerin ist, im Sommer 2019 öffentlich ihre Idee zur Vier-Tage-Woche mitteilte, sorgt das Modell in den Medien für Diskussionen. Marin äußerte: „Ich glaube, die Menschen verdienen es, mehr Zeit mit ihrer Familie, mit ihren Lieben, mit ihren Hobbys und anderen Aspekten ihres Lebens zu verbringen – wie Kultur. Das könnte der nächste Schritt in unserem Arbeitsleben sein“.

In Schweden ist die verkürzte Arbeitswoche bei vielen Unternehmen bereits Realität. Auch in Japan hat Microsoft im Sommer 2019 den Versuch gestartet und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur noch vier Tage pro Woche arbeiten lassen. Dadurch stellten sie zum Ende des Projektes einen deutlichen Anstieg der Produktivität fest und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren zu 92% glücklicher. Inzwischen testen mehrere Unternehmen in Finnland das Modell und auch die ersten deutschen Unternehmen wagen das Experiment, bisher mit Begeisterung.

Die Präsidentin des Wirtschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, äußerte sich positiv gegenüber dem Tagesspiegel zu der Vier-Tage-Woche. So könnten Frauen, die oft halbtags arbeiten, um sich um die Familie zu kümmern, mehr arbeiten, da dann auch Männer, die sonst meist Vollzeit arbeiten, weniger arbeiten würden und Aufgaben im Haushalt übernehmen könnten.

Gesünder und zufriedener durch Vier-Tage-Woche

Derweil gibt es zudem einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die äußerten, dass effektiver gearbeitet werde und Mitarbeitende nachhaltig gesünder und zufriedener seien. Durch den freien Tag bliebe zudem mehr Zeit, um private Dinge zu erledigen. Dadurch seien auch Fehlzeiten auf der Arbeit reduziert, da es möglich sei, private Termine beim Arzt etc. auf den freien Tag zu legen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen könnten an dem zusätzlichen freien Tag auch ihren Hobbys nachgehen oder an Weiterbildungen teilnehmen. In mehreren Unternehmen zeige sich ein deutlicher Anstieg der Produktivität und der Motivation der Mitarbeitenden. Dies würde nicht nur die Arbeitsatmosphäre verbessern, sondern auch gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Die Mitarbeitenden seien ausgeruhter und zufriedener. Daraus ließen sich weniger Krankheitstage schließen und die Mitarbeitenden seien weniger gestresst.

Bei einigen Unternehmen ist der Versuch der Vier-Tage-Woche jedoch schon gescheitert. In Schweden testeten 2015 alle kommunalen Krankenhäuser und Altenheime dieses Arbeitszeiten-Modell. Auch hier wurde festgestellt, dass das Personal gesünder, zufriedener und produktiver war. Jedoch wurde nach zwei Jahren die Vier-Tage-Woche nicht weitergeführt, da es einfach zu teuer in der Umsetzung gewesen ist. 

Zudem ist das Modell auch nicht in allen Bereichen möglich. Gerade Bereiche in der Pflege und Gesundheitsbranche funktionieren nur über die Anwesenheit von ausreichend Personal. In diesen Bereichen herrscht zudem jetzt schon Personalmangel. Dazu äußerte sich auch der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter: „Wir haben einen gravierend anwachsenden Fachkräftemangel, während Deutschland über staatlich verordnete Arbeitszeitverkürzung diskutiert. Das passt doch nicht zusammen“.

Wir haben bei jungwild über das Thema der Vier-Tage-Woche gesprochen. Dafür habe ich mich mit Felix zusammengesetzt. 


Felix, wie denkst du über die Vier-Tage-Woche allgemein?

"Die Idee weniger zu arbeiten bei gleichbleibender oder sogar höherer Produktivität finde ich grundsätzlich super! Man sollte bei der ganzen Idee nur nicht das Büro als Begegnungsstätte und die unterschiedliche Sinnhaftigkeit bei verschiedenen Jobs aus den Augen verlieren."

Glaubst du, dass man eine 40 Stunden Woche auf eine Vier-Tage-Woche à 8 Stunden reduzieren kann?

"So pauschal kann man das wohl nicht sagen. Das hängt aus meiner Sicht von zwei Faktoren ab.

Erstens muss das Modell zum Beruf passen: Bei allen Jobs, bei denen körperliche Arbeit notwendig ist (Handwerk, Pflege, etc.) oder der Arbeitsalltag per se zeitlich durchterminiert ist (im Call Center, bei Richtern oder ggf. auch im Recruiting), funktioniert eine Reduktion bei gleichbleibender oder höherer Produktivität nicht oder ist für mich ohne zusätzliche Innovationen nur schwer vorstellbar. Im Büro sind mit Smalltalks, Kaffeepausen, langen Meetings, privatem Surfen im Internet etc. Effizienzsteigerungen sicherlich besser möglich. Und das bringt mich zu Punkt zwei: Es muss auch zu den Bedürfnissen und Arbeitsweisen der Mitarbeiter passen. Es gibt viele Arbeitnehmer, die öfter auch mal Pausen zwischendurch brauchen und einen auf Effizienz getrimmten Arbeitsalltag eher stressig finden. Daher plädiere ich auch nicht pauschal für die Vier-Tage-Woche, sondern für individuelle Lösungen."

Könntest du dir grundsätzlich eine Vier-Tage-Woche bei jungwild vorstellen? Warum bzw. warum nicht?

"Eine angeordnete 4-Tage-Woche für alle Mitarbeiter könnte ich mir aktuell nicht vorstellen, da mir dies aus beschriebenen Gründen einfach nicht individuell genug wäre. Wir möchten aber natürlich allen Mitarbeitern jeweils passende Arbeitszeit- und Vergütungsmodelle anbieten und da gehört die 4-Tage-Wochen logischerweise dazu. Wenn dann ein Mitarbeiter in vier Tagen die gleiche Produktivität bringen kann, wie sonst an fünf Tagen, dann würden wir ihm logischerweise auch dasselbe Gehalt bezahlen."

Und für dich persönlich? Wäre die Vier-Tage-Woche eine Option?

"Für meinen persönlichen Arbeitsalltag kann ich mir dieses Modell aktuell nicht vorstellen. Erstens habe ich einfach viele persönliche Termine, führe zahlreiche Gespräche mit Kunden und Kandidaten, sodass es hier zeitlich/terminlich schon sehr tough wird. Zweitens bin ich einfach sehr gerne im Büro. Ich philosophiere dann zwischendurch eben auch mal lieber mit meinen Kollegen über die letzte Partie vom 1. FC Köln, als ohne Pause produktiv zu sein. Das Büro als sozialen Ort wahrzunehmen, bei dem man idealerweise auf Menschen trifft, mit denen man gerne Zeit verbringt, ist für mich auch eine deutlich reizvollere Vorstellung, als die Vier Tage Woche."

 

Weiterführende Links zum Thema:

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/zukunftsvision-der-finnischen-ministerpraesidentin-was-fuer-die-vier-tage-woche-spricht-und-was-dagegen/25421894.html

https://www.fidor.de/blog/4-tage-woche

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/zukunftsvision-der-finnischen-ministerpraesidentin-was-fuer-die-vier-tage-woche-spricht-und-was-dagegen/25421894.html

https://utopia.de/ratgeber/4-tage-woche-arbeitswoche-gruende-vorteile/