Eine bessere Work-Life-Balance durch mehr Arbeit?

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Kritik statt Begeisterung – das Blatt für die Work-Life-Balance hat sich gewendet. Noch vor einiger Zeit wurde der Begriff in unzähligen Fachartikeln, Blogbeiträgen und Newslettern begeistert diskutiert. Nun rückt mit New Work eine andere Idee in den Vordergrund: Die Flexibilität nimmt immer weiter zu, die Grenzen verschwimmen und plötzlich scheint die Idee von Balance furchtbar unpraktikabel. Die Work-Life-Balance gerät in die Kritik. Für viele impliziert der Begriff, dass Arbeit und Privatleben nicht nur als getrennte, sondern einander entgegenstehende Bereiche zu betrachten sind: Der Job als Belastung und die Freizeit als so dringend benötigter Ausgleich. Die Work-Life-Balance als Gleichgewicht zwischen gut und schlecht. 

Diese Simplifikation wird dem eigentlichen Konzept nicht gerecht. Die ursprüngliche Idee der Work-Life-Balance war weder die strikte Trennung von Work und Life, noch das Privatleben zu instrumentalisieren, um einen verhassten Job erträglicher zu machen. Vielmehr geht es darum, die eigenen Bedürfnisse, Grenzen und Prioritäten zu erkennen und Zeit und Bemühungen entsprechend einzuteilen.

Wir haben mit Elisa, einer von uns vermittelten Kandidatin, über ihre Sicht auf das Thema gesprochen. Sie hat uns erläutert, warum sie es persönlich manchmal sogar bevorzugt, ein paar Stunden länger zu arbeiten.

Vielen Dank, dass du dich dazu bereit erklärt hast, uns ein paar Fragen zum Thema Work-Life-Balance zu beantworten. Vielleicht kannst du zunächst ein bisschen über dich erzählen. Was hast du studiert, was ist dein aktueller Job und was sind deine Hauptaufgabenbereiche?
Elisa: „Ich habe in den Niederlanden meinen Bachelor of Business Administration in Hotel Management gemacht. Danach war ich für 5 Jahre im HR einer großen internationalen Hotelkette in Bonn. Während dieser Zeit habe ich auch meine Weiterbildung zur Personalfachkauffrau gemacht. Im Anschluss habe ich die Hotellerie ein Stück weit verlassen und bin als HR Manager zu einem Marktforschungsunternehmen als Dienstleister für die Hotellerie gewechselt. Bis jetzt habe ich immer sehr generalistisch im HR gearbeitet und war für absolut alles zuständig, was der spannende HR-Bereich zu bieten hat.“

Man kommt heutzutage um das Thema Work-Life-Balance nicht mehr herum. Überall liest man, dass zu viel „Work“ und zu wenig „Life“ unzufrieden macht. Was ist deine Meinung zu dem Thema?
Elisa: „Generell finde ich der Spruch „Man lebt nicht, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um zu leben.“ birgt einige Wahrheit. Trotzdem denke ich, dass man langfristig unglücklich wird, wenn man die Arbeit ausschließlich als Mittel zum Zweck betrachtet. Man darf nicht auf den Feierabend warten, um glücklich zu sein. Auch im Job kann man Erfüllung und Glück finden. Alles andere wäre auch schade, denn dafür verbringt man einfach zu viel Lebenszeit am Arbeitsplatz.“

„Bist du gerne bereit bzw. macht es dir nichts aus, Freizeit für deine Karriere zu opfern?“
Elisa: „Freizeit in meine Karriere zu investieren war für mich nie ein Problem. Ich hatte jedoch auch immer das Glück, mir meine Überstunden eigenverantwortlich einzuteilen. Hätte mir jemand gesagt, wann genau ich Überstunden zu leisten habe, wäre sicherlich Frust aufgekommen. Solange ich jedoch Überstunden mache, weil ich sie gerade für nötig halte, waren diese Überstunden auch oft mit dem Erfolgserlebnis gekrönt, etwas Bestimmtes an dem Tag abgeschlossen zu haben. Ich war schon immer der Typ, der lieber 2 Stunden länger im Büro bleibt, als mit einem unguten Gefühl nach Hause zu gehen. Private Verabredungen für spontane Überstunden abzusagen wäre wiederum etwas, dass ich nur im absoluten „Arbeitsnotfall“ tun würde, hier ziehe ich meine persönliche Grenze. Ich plane mir jedoch Verabredungen natürlich auch realistisch ein und lasse mir in einer besonders stressigen Woche auch die Abende lieber mal unverplant. In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch betonen, dass ich kinderlos und somit recht ungebunden bin. Diese Freiheit, bei Bedarf 2 Stunden länger im Büro zu bleiben, kann sich nun mal auch nicht jeder leisten, dies bedeutet jedoch noch lange nicht, dass diese Person dann ein schlechterer Arbeitnehmer ist.“

„Für viele impliziert der Begriff Work-Life-Balance, dass Work und Life als gegensätzliche Konzepte zu betrachten sind. Wie siehst du das?“
Elisa: „Da das eine ohne das andere nicht funktionieren kann, denke ich, dass sie weniger als Gegensätze in Konflikt stehen, sondern eher zwei Aspekte des Lebens darstellen, die sich die Waage halten müssen. Auch das Privatleben teilt sich wiederum in verschiedene Bereiche auf, die idealerweise im Gleichgewicht sein sollten. Ich denke, dass sich die Toleranzgrenze von Person zu Person aber auch von Zeit zu Zeit stark unterscheidet, in Hinsicht darauf wie viel Raum der Teil „Work“ einnehmen darf.“

„Wie viel Anteil hat deine Arbeit daran, dass du glücklich bist und wann erlebst du im Job Glücksmomente?“
Elisa: „Privat wie im Beruf erlebe ich viele Glücksmomente. Ich denke, wenn diese Glücksmomente im Beruf ausbleiben, sollte man unbedingt reflektieren woran das liegt (z.B. Überforderung, ausbleibendes Feedback, schlechte Stimmung im Team oder fehlende Eigenmotivation). Meine persönlichen Glücksmomente treten meist ein, wenn ich jemandem weiterhelfen kann. Ein „Danke“ ist und bleibt das Schönste. Aber auch ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt, etwas Neues gelernt zu haben, ein produktives Meeting, ein netter Smalltalk auf dem Gang oder ein Lob sind für mich Glücksmomente im Job.“

Egal ob man es nun Work-Life-Balance nennt oder nicht – was zählt ist seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu kennen und diese auch einzuhalten. Nur so ist man dazu in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die eigene Zufriedenheit zu fördern. Das kann für den Einen bedeuten, pünktlich um 5 Uhr nach Hause zu gehen und für die Andere noch zwei Stunden länger zu arbeiten, um ein Projekt erfolgreich abzuschließen zu können.

Kurzum: Ob nun 35 oder 50 Wochenstunden, ob pünktlich Feierabend oder Telefonkonferenz im Urlaub – wie ein gutes Gleichgewicht aussieht, entscheidet jeder für sich selbst.

Quellen:

Greenhaus, J. H., Collins, K. M., & Shaw, J. D. (2003). The relation between work-family balance and quality of life. Journal of Vocational Behavior, 63, 510-531.

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